„Polen 1990/91“
„Es war bereits dunkel in Drzewica, nichts war zu sehen. Einzig ein Restaurant hatte geöffnet, eine Wodka-Spelunke mit betrunkenen Bauern und einer Wirtin, die die Besoffenen in Schach hielt.
Die Männer johlten, sie hoben ihr Glas, ein Schluck auf Eppstein, sie ist eine aus Drzewica – schon hatte mich ein besoffener Kindskopf gepackt. Piotr hielt meine Kamera auf die Szenerie, er machte drei, vier Bilder. Von dem Dorf habe ich nichts gesehen. Und vom Schtetl meines Grossvaters schon gar nicht. Dieses ist wie alle anderen längst untergegangen und das Leben darin für immer erloschen. Ich besitze nur diese vier unscharfen Bilder aus der Wodkahöhle jenes polnischen Dorfes, das der Geburtsort meines Grossvaters sein soll.“
Esther Eppstein zeigt Originalfotografien, die während eines längeren Aufenthalts in Warschau 1990/1991 entstanden sind.
„Shpatsirn“
„Mein Vater Paul Eppstein wurde 1917 in Zürich Aussersihl, dem „Schtetl an der Sihl“, geboren. Seine Eltern Berek und Felice führten die koschere Bäckerei Epstein an der Zwinglistrasse. Das jiddische Wort shpatsirn bedeutet spazieren oder flanieren. Serge Pinkus begleitete 2001 den damals 83-jährigen Paul mit der Kamera auf einem Spaziergang durch das Quartier seiner Jugend. Nur wenige Monate später verstarb er. “
Video von Esther Eppstein. Mit Paul Eppstein und Serge Pinkus, Kamera und Interview Serge Pinkus, Schnitt Esther Eppstein/Michael Hertig, 2009. ca. 50 Min., Ov.
Die Fotografien und das Video stehen durch einen biografischen, familiären und historischen Hintergrund miteinander in Verbindung. Esther Eppstein zeigt die Ausstellung im Rahmen des Festivals „Ostblockade“, welches mit Kunst, Aktionen, Performances und Party, den „Ostblock“ und Osteuropa im weitesten Sinne, als kulturelle und biografische Prägung thematisiert.