Vor dem Eingang, bei der Billettkasse, im Foyer, bei der Garderobe, auf den Treppen, an der Bar, auf der Terrasse und am VIP-Apéro, vor dem Konzert, in der Pause, nach dem Konzert: das «message salon»-Ensemble ist zu Besuch in der Tonhalle und bringt Kommentare, Unterhaltungen und Irritationen in unterschiedlicher Intensität unter ein nicht darauf vorbereitetes Publikum. Angekündigt ist ein klassischer Musikabend mit dem Tonhallen-Orchester Zürich und seinem ehemaligen Chefdirigenten David Zinman, sowie ein Klavierkonzert von Wolfang Amadeus Mozart, mit dem Pianisten Radu Lupu am Flügel.
Die Intervention der Ad-Hoc-Künstlertruppe kitzelt eingeübte Posen und Verhalten und widmet sich der Beobachtung des Rituals des Konzertbesuchs, der eingespielten Abläufe und Verhaltensweisen, sowie dem Kodex einer Institution, die als ein Ort der Hochkultur gilt. Die Künstlerinnen und Künstler irritieren mit Charme, Frechheiten, Witz und Spielfreude, stören Gewohnheiten, mischen sich ein und bringen den eingespielten Ablauf eines Konzertbesuchs subtil durcheinander.
Mit dem Eingriff, der Kaperung der Institution, werden nicht nur eine kritische, künstlerische Sicht von aussen auf die bürgerliche Kulturinstitution und das Verhältnis von Establishment und Künstlerszene angedeutet. Die Intervention soll auch eine Selbstreflexion und ironische Selbstbefragung der Künstlerinnen und Künstler über ihre Rolle und den Platz der Kunst in der Gesellschaft sein. Die Künstlerinnen und Künstler verlassen den geschützten Bereich der Bühne und setzen sich dem Publikum direkt und ungefragt aus.
«message salon»-Ensemble sind: Annina Machaz, Teresa Vittucci, Nils Amadeus Lange, Evalyn Eatdith, Reni Hardmeier, Rahel Sternberg, Timo Krstin, Veli&Amos&Pink Panther, Marisa Godoy, Mark Divo und Laura Lazura
Pausen-Gong: Mario Marchisella, Plakatkunst: Alexis Saile
Eine Inszenierung von Esther Eppstein und Marc Walter Streit
Die Direktion der Tonhalle schreibt im Flugblatt, welches zur Information für die Konzertbesucher aufliegt (Ausschnitte):
«…. Die Tonhalle-Gesellschaft Zürich hat die Künstlerin Esther Eppstein zu einem «friendly take-over» – einer «freundlichen Übernahme» – eingeladen. Ganz im Sinne des Festspiel-Themas wird Esther Eppstein gemeinsam mit befreundeten Künstlerinnen und Künstlern das Publikum mit Charme, Witz und Spielfreude irritieren, es bei seinen eingeübten Gewohnheiten stören und spiegeln, sich einmischen und das Ritual des Konzertbesuchs subtil durcheinanderbringen.
Esther Eppstein selbst steht seit vielen Jahren für die «andere» Zürcher Kunstszene jenseits der Hochkultur-Tempel. Der gerade erschienene Katalog «Esther Eppstein message salon» dokumentiert ihr Wirken als Kuratorin und Künstlerin des «message salon»: eines Kunstraums im ständigen Wandel, in dem sie seit den Anfängen im Jahr 1995 am Rennweg jungen und noch unbekannten Künstlern ein Forum bietet. ….»
«… Doch ihr «message salon» ist mehr als ein nomadisierendes Ausstellungsprojekt, es ist vielleicht Esther Eppsteins künstlerisches Lebenswerk, wie «eine Art soziale Skulptur» (NZZ, 2015) – wenn auch eine sehr bewegliche. Mit der Performance in der Tonhalle erobert sie sich einen neuen Zürcher Kunstort, und das Publikum des Tonhalle-Orchesters Zürich wird für eine kurze Zeit Teil ihres Kunstwerks «message salon». Ulrike Thiele, Tonhalle-Gesellschaft Zürich, Juni 2016